Vor vier Jahren haben wir uns beim gemeinsamen Reisen in Mittelamerika kennen gelernt. Seitdem können wir unsere Erlebnisse dort, die herzlichen Menschen, die unglaublich reiche Natur, die Musik und das Gefühl zu reisen einfach nicht vergessen. Und das wollen wir auch gar nicht. Nur eins steht fest: Wir müssen noch einmal nach Lateinamerika, denn einmal angefangen, ist das Reisen fast so etwas wie ein inneres Gesetz, man könnte es auch Fernweh nennen. Das ist einfach da, mal mehr, mal weniger und es hört erst wieder auf, wenn wir wieder da stehen, am Flughafen wie Schildkröten mit unseren Rücksäcken auf dem Rücken und dem Flugticket in der Hand, unsere Eintrittskarte in das Unbekannte. Dann sind wir nicht mehr Ingenieur oder Student. Dann sind wir Reisende, alles andere verschwimmt allmählich. Die Hektik und der Alltag liegen hinter uns und es ist, als würden wir ein Teil der Welt neu entdecken. Diesmal haben wir uns für Kolumbien und Peru entschieden. Semper, der selbst längere Zeit in Kolumbien gereist ist, beschreibt das Gefühl zu reisen so: „Ich konnte die fest geschriebenen und fest zementierten Denkgewohnheiten meiner Welt hinter mir lassen. Das tägliche Grauen aus hetzenden Menschen, Supermärkten, Verkehrsstaus, Parkplatzsuche, Handyklingeln und Fernsehbildern lag unendlich weit hinter mir. Amazonien war das Land, dem ich mich auslieferte. Alles war direkt, ohne Filter. Alles entstand neu." Drei Monate konnten wir uns diesmal frei nehmen. Diese Zeit liegt jetzt noch unbekannt vor uns und wir sind gespannt, mit welchen Erlebnissen sie sich diesmal füllen wird...

Dienstag, Dezember 05, 2006

Den Amazonas hinunter

Von nun an liegen mehrere Tage Schifffahrt vor uns. Und auch wenn wir in der Hängematte jede Bewegung von jemanden mitbekommen, der ein paar Hängematten weiter schaukelt: so wirds wenigstens schön kuschelig. Schnell kramen wir mal wieder die Familienfotos hervor (ihr seid hier langsam richtig berühmt!) und immer wieder kommt jemand vorbei um zu quatschen. Unsere besten Stammkunden sind aber die kleinen Kinder, die sich unsere berühmten Hugos (Luftballonhunde) abholen und es sich zum Ziel machen mit den geschenkten Tröten lautstark in jede Hängematte mit einer schlafenden Person zu prusten. Auch die anderen Reisenden, die wir hier etwas abseits der üblichen Routen treffen sind irgendwie sympathischer. Aber trotz aller Freude verschwindet auf rätselhafte Weise immer mal das Eine oder Andere Gepäckstück. Zum Glück hat Philipp unseren schwedischen Mitreisenden noch den Tipp gegeben das Geld und den Pass aus dem kleinen Rucksack zu nehmen, denn ein paar Stunden später ist dieser samt Digicam verschwunden. Wie gut, dass wir unseren mit einem Fahrradschloss angebunden haben!

Einen kurzen Zwischenstop machen wir in Iquitos, wo wir den speziellen Stadtteil "Belen" besuchen. Alle Häuser schwimmen auf dem Amazonas, Kanus werden zu Restaurants umgebaut, Kinder springen von allen Seiten ins Wasser, Frauen waschen ihre Kleidung am Fluss und das Ganze ergibt trotz der herrschenden Armut ein idyllisches Bild. Auf dem nahegelegenen Markt gibt es einfach alles zu kaufen: von kuschligen Faultieren bis hin zu geheimen Schamanenwässerchen, Schlangenköpfen und psychogenen Pülverchen.

Nach der kurzen Erholung in Iquitos sitzen wir auch schon wieder schaukelnd im Schiff. Dort quatschen wir mit den anderen Touristen und beobachen den ewig andauernden Kreislauf des Auf- und Abladens und Hin- und Herschaukelns. Regelmässig fegt ein Junge mit dem Besen an uns vorbei und wir freuen uns, dass offensichtlich doch etwas auf Sauberkeit geachtet wird. Dann beobachten wir allerdings die sogenannte Mülltrennung auf peruanisch: erst sortiert der Junge alle Plastiksachen aus, öffnet das Fenster und schwups weg damit und dann kümmert er sich um penibel darum auch den brennbaren Abfall über die Reling zu werfen. Und so schippern wir auf dem immer breiter werdenden Amazonas umgrenzt vom unendlichen Regenwald in Richtung Kolumbien.


An dieser Stelle wird es Zeit sich von Peru zu verabschieden, dem Land, dass uns so überrascht hat.

Der Geruch von Lima, der endlosen Stadt,
die Augen und Türen verschliesst vor dem,
was sie nicht verantworten will.

Düstere Indiofrauen.
Verschleiert. Verschlossen.

Schmutzige Kinder am Strassenrand,
die gelernt haben,
wie man "Moneda" erbettelt.

Offenbaren sich unerwartet die wahren Schätze
des armen - reichen Landes.

Verborgenes Kulturgut, geheimnisvoll,
Jahrhunderte lang konserviert
erzählt es seine eigene Geschichte.

Immergrün die Bäume, meterhoch,
Leben in allen Farben,
jeder Wurzel, in der Luft, im Wasser,
überall Bewegung.

Willkommen. Unzählige Gesichter,
Orte, Geschichten.
Lachen. Vertrauen.

Vom Kühlen ins Warme.
Vom Unerwarteten ins Vertraute.
Vom Erleben zum Erlebnis.
Vom Erlebnis zur Erinnerung
werden wir dieses Land nie vergessen.

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