Vor vier Jahren haben wir uns beim gemeinsamen Reisen in Mittelamerika kennen gelernt. Seitdem können wir unsere Erlebnisse dort, die herzlichen Menschen, die unglaublich reiche Natur, die Musik und das Gefühl zu reisen einfach nicht vergessen. Und das wollen wir auch gar nicht. Nur eins steht fest: Wir müssen noch einmal nach Lateinamerika, denn einmal angefangen, ist das Reisen fast so etwas wie ein inneres Gesetz, man könnte es auch Fernweh nennen. Das ist einfach da, mal mehr, mal weniger und es hört erst wieder auf, wenn wir wieder da stehen, am Flughafen wie Schildkröten mit unseren Rücksäcken auf dem Rücken und dem Flugticket in der Hand, unsere Eintrittskarte in das Unbekannte. Dann sind wir nicht mehr Ingenieur oder Student. Dann sind wir Reisende, alles andere verschwimmt allmählich. Die Hektik und der Alltag liegen hinter uns und es ist, als würden wir ein Teil der Welt neu entdecken. Diesmal haben wir uns für Kolumbien und Peru entschieden. Semper, der selbst längere Zeit in Kolumbien gereist ist, beschreibt das Gefühl zu reisen so: „Ich konnte die fest geschriebenen und fest zementierten Denkgewohnheiten meiner Welt hinter mir lassen. Das tägliche Grauen aus hetzenden Menschen, Supermärkten, Verkehrsstaus, Parkplatzsuche, Handyklingeln und Fernsehbildern lag unendlich weit hinter mir. Amazonien war das Land, dem ich mich auslieferte. Alles war direkt, ohne Filter. Alles entstand neu." Drei Monate konnten wir uns diesmal frei nehmen. Diese Zeit liegt jetzt noch unbekannt vor uns und wir sind gespannt, mit welchen Erlebnissen sie sich diesmal füllen wird...

Dienstag, Oktober 31, 2006

Zum Titikakasee

Die 22 stündige Busfahrt Richtung Titikakasee ist in erster Linie natürlich eins: lang. Aber endlich kommt langsam wieder das Gefühl auf zu reisen, im Bus mitten unter den verschiedensten Einheimischen. Diese interessieren sich wenig für uns, wir sind eben nicht mehr in Kolumbien, aber wir uns umso mehr für sie.
Am Busterminal finden wir schon einen ersten begeisterten Abnehmer für Hugo, unseren Luftballonhund, den wir mühselig zusammengebastelt haben, um ihn dann einem Kind zu schenken. Nachdem Philipp also, leicht belächelt, mit dem orangefarbenen Hund Hugo auf dem Rucksack durch Lima spaziert ist, machen sich am Busterminal plötzlich zwei kleine Hände an unserem Rucksack zu schaffen… Noch während der Busfahrt müssen wir das traurige Ende von Hugo miterleben: Wie er als schlapper Schlauch zwischen den Zähnen der kleinen Diebin hängt und sie mit Ihren grossen Augen alle Passagiere anfleht, den inzwischen schmuddeligen Hugo einer dringend benötigten Notoperation zu unterziehen. Bald prusten die unteschiedlichsten Leute in den Bauch von Hugo. Aber leider ohne Erfolg.
Beim Einsteigen schiebt sich keuchend eine Bauersfrau mit einem offensichtlich schweren Packet hinter uns her, das sie Jana ungeniert in den Rücken rammt. Dann hält sie Jana ihr Busticket vor die Nase und bittet um Hilfe, da sie ihre Platznummer nicht lesen kann. Mit gefalteten Händen verbringt sie die gesamte Busfahrt mal schlafend, mal still vor sich hin starrend auf ihrem Platz und wir fragen uns, wie sie es schafft so still zu sitzen, während wir es kaum eine Minute in einer Sitzposition aushalten. Nach kürzester Zeit hängen wir unsere Nasen aus dem Busfenster, denn von allen Seiten verbreitet sich ein penetranter Geruch nach Schweiss und wir wollen garnicht wissen was noch. Jaja, das mit dem Waschen ist halt so eine Sache…
Während die Fahrt durch die Wüste immer entlang am endlosen Pazifik, vorbei an kleinen Oasen geht, verwandelt sich unser eigentlich ganz ordentlicher Bus immer mehr in eine Müllhade. Der staubige Trinkbecher wird mal eben kurz mit Pepsi ausgespült und schwups landet die Brühe im Gang. So auch sämtliches Papier uns sonstige Essensreste, die in den Kurven fröhlich durch den Bus kullern. Mit einer Mischung aus Ekel und Unglauben beobachten wir den Mann vor uns. Scheinbar hat er einen ziemlich grossen Pfropfen im Ohr, der sich trotz mühsamer Arbeit mit den Händen einfach nicht entfernen lässt. Aber man ist ja einfallsreich. Kurzerhand bittet unser kleiner Mc Gyver um dem Kuli seines Nachbarn und mit dessen Hilfe lässt sich das Ganze wunderbar entfernen. Ist ja ganz einfach!
Auch bei unseren Zwischenstops können wir wieder live miterleben, dass es die Peruaner mit der Hygiene nicht so eng sehen. Mit hochgezogenen Hosenbeinen waten wir durch stinkende Schlammplätze auf der Suche nach den baños. Für diese wird zwar “Eintritt” verlangt, was aber noch lange nicht heisst, dass diese jemals geputzt würden oder über fliessend Wasser verfügen würden…
Während wir bei der Weiterfahrt noch triefend in unseren T-Shirts dasitzen, rüsten sich alle anderen plötzlich mit Pudelmützen, Daunenjacken und Wolldecken aus. Ohoh, es geht wohl in Richtung Anden. Immerhin haben wir ja an unsere Faserpelze gedacht. Natürlich sitzen ausgerechnet wir Touris an dem Fenster, das am meisten zieht und verbringen die Nacht dementsprechend nicht gerade kuschelig warm. Am nächsten Morgen kurven wir auch schon mitten durch die Anden. Mit dem Bus auf 4300m Höhe, das ist schon was! Links und rechts ziehen die karge Hochebene und die runden Berge an uns vorbei. Neben der Strasse verläuft die einzige Bahnschiene Perus. Wir sehen Lamas, Schafe, Hunde und Bauern, weit verstreut auf dieser riesigen Fläche. Weiter geht die Fahrt durch Juliaca, eine Stadt mit schlammigen Strassen und vielen Menschen, die die bunte Tracht der Anden tragen. Und endlich haben wir unser Ziel erreicht: der Lago Titikaka liegt vor uns!

Montag, Oktober 30, 2006

Lima

Von Cartagena fliegen wir nach Lima, Peru. Lima zeigt sich uns als graue Stadt. Autolärm, kühle Nächte und bewölkte Tage, an fast jeder Ecke der Geruch von Urin, staubige dunkle Gebäude, die das wenig malerische Zentrum umgeben. Schmutz, Obdachlose, Taschendiebstähle. Frisch eingeflogen aus dem lebendigen Cartagena hält sich unsere Begeisterung für diese riesige acht Millionen Stadt in Grenzen.
Dabei hat Lima sicher auch Einiges zu bieten: Der gepflegte Platz vor dem prunkvollen Regierungsgebäude, den Pazifik direkt vor der Türe… Aber zu diesr Jahreszeit werden die Vorzüge dieser Stadt durch den wolkenverhangenen Himmel eben nicht gerade betont. So führt unser erster Weg auch gleich zum Busterminal, wo wir uns ein Ticket heraus aus dieser grauen Stadt sichern, der wir durch unseren kurzen und wenig detaillierten Eindruck wahrscheinlich Unrecht tun.

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Sonntag, Oktober 22, 2006

Islas del Rosario y Playa Blanca

Am Sonntag werden wir nach langen Verhandlungen in ein Boot mit kolumbianischen Touristen geschoben und sausen los, um heute mal wirklich einen Strand nach unseren Vorstellungen zu finden. Auf dem Boot wird es schnell familiär und mit uns ausländischen Touristen spricht man besonders gern. Schon nach kurzer Zeit scheint es, als würden sich alle auf dem Boot schon seit langem kennen, das knuffige Baby wird einfach mal dem Nachbarn ausgeliehen, eine Flasche Rum wird weitergereicht und ein verlorengegangener Passagier wird unter grossem Gelächter aus dem Wasser gefischt. Unser erster Halt ist vor einer Insel mit einem kleinen Dorf, wo die Touristen vom Boot aus Geldstücke ins Wasser werfen, das schwimmende Kinder blitzschnell mit den Zähnen aus dem Wasser fischen. Einen treffenden Kommentar zu diesem eigenartigen Schauspiel macht der grinsende Typ neben uns: “Como los Pirhanas!”. Kaum funkelt eine Münze in der Luft, stürzen sich sechs Köpfe gleichzeitig ins Wasser. Angekommen bei unserem ersten Ziel, den Islas del Rosario, watscheln wir mit unseren Schnorchelsachen ins 30 Grad warme Wasser und verfolgen bunte Fische. Aufgrund der Korallenbleiche ist ein grosser Teil des Unterwasserlebens ziemlich grau, was naiv gesagt, ziemlich blöd für die bunten Fische ist. Dann fahren wir an einen echten Bilderbuchstrand, mit kristallklarem Wasser, Palmen und weissen Sandstrand. Es gibt in Kolumbien also doch die kitschigen Karibikstrände! Allerdings verbringen wir die meiste Zeit beim gemeinsamen Mittagessen mit unserem freundlichen Bootsnachbaren, die sich wirklich darüber freuen, dass wir in ihrem Land reisen. Wirklich grosse Augen machen sie aber erst, als sie sehen, wie die komischen Europäer plötzlich zwei grosse gelbe Platanos (Kochbananen) auspacken und friedlich daran knabbern. Sowas hat man hier noch nicht gesehen. Die kocht man doch oder brät sie in der Pfanne! Aber egal, uns gefällts.

Samstag, Oktober 21, 2006

La Boquilla

Am Wochende möchten wir endlich mal die Karibik geniessen und träumen von einem schönen weissen Sandstrand. Und schon sitzen wir in einem ratternden Bus. Aus dem Radio tönt Salsamusik und der Busfahrer klopft im Takt auf das Lenkrad. Mit der anderen Hand drückt er fast ständig auf die Autohupe, was eigentlich niemanden interessiert, da das anscheinend ein Hobby der Leute hier ist. Nachdem unsere rollende Salsadisko neues Kühlwasser getankt hat, dampfen wir ab in Richtung Traumstrand. Allerdings bekommen “los touristas” grosse Augen, als der Bus ganz ungeniert mit vollem Tempo direkt durch die grossen Pfützen auf dem “Traumstand” schaukelt. Das sah in den Zeitschriften irgendwie anders aus. Aber als wir mit hängenden Köpfen den “Traumstrand” entlang wandern, kommt uns schon unser neuer “amigo” entgegen, der uns mit seinem Boot an einen ganz schönen Strand bringen möchte. Da wir uns auf dieser halben Autopiste namens Strand sowieso nicht wohl fühlen, stimmen wir als zu. Wir paddeln durch Mangrovensümpfe, in denen es wegen der vielen Krabben knistert und raschelt. Nach einiger Zeit kommen wir dann in einem sehr kleinen Dorf an. Und plötzlich befinden wir uns in dieser anderen Welt, die es im reichen Cartagena nicht gibt. Mit direktem Blick auf die Hochhäuser und Hotels der Stadt, leben die Menschen hier in sichtbarer Armut. Ein Blick in die Holzhütten bestätigt, was man eigentlich schon weiss: für die Menschen hier ist vom Reichtum der Stadt nichts mehr übrig. Die vielen farbigen Kinder laufen um uns herum, betteln und kichern – die sehen aber auch komisch aus! Als einzige Gäste werden wir an einen Tisch geschoben wo wir natürlich Fisch, leckeren Kokosreis und Platanos essen, während die abgemagerten Hunde schon auf ihren Teil der Mahlzeit warten. Doch auch wenn unser Besuch für die Leute hier sehr wichtig ist, dieser Strand hier zeigt weniger die Schönheit der Natur als die Realität eines Landes, in dem der Besitz völlig ungleich verteilt ist.

Freitag, Oktober 20, 2006

La vida en Cartagena

Draussen rattert ein Holzwagen vorbei und eine laute Stimme ruft: “Naranja para ustedes!” Irgendwo hat jemand sein rauschendes Radio mit Salsamusik voll aufgedreht. Auf der Strasse lachen Kinder. Wir liegen auf unserem Bett und über uns surrt der Ventilator, unser fast wichtigster Gegenstand in diesem Zimmer.
Endlich sind wir zurück in Lateinamerika. Alles ist neu und doch irgendwie bekannt. Die herzlichen Menschen, die das Leben einfach so nehmen, wie es kommt. Die Strassenverkäufer mit ihren Früchten oder einem heissen “tinto”. Der alte Mann auf dem Plaza mit einem Gesicht, dass das Leben gekennzeichnet hat. Mühselig zieht er einen alten Holzkarren hinter sich her und es scheint als wäre er schon immer hier gewesen und gehöre genau dort hin. Die Kinder in ihren Schuluniformen. Die verwahrlosten Hunde. Die Gegensätze.
Cartagena ist anderes als die Städte in Lateinamerika, die wir bisher kannten. Umgeben von massiven Befestigungsmauern ist der Stadtkern regelrecht herausgeputzt. Gut erhaltene und gepflegte Kolunialbauten, geschmackvoll arrangierte Restaurants und blühende Pflanzen machen es uns zunächst schwer zu glauben, dass wir nicht aus Versehen in Europa gelandet sind. Wenn wir dann aber die Altstadt verlassen, finden wir uns mitten im Leben wieder. An jeder Ecke hört man lautes Autohupen, Hammerklopfen und rasselnde Nähmaschinen.
Das ist das Handwerkerviertel in dem wir uns irgendwie am wohlsten fühlen. Andere Stadtteile lassen nichts mehr von dem erahnen, wie prunkvoll die Altstadt ist. Doch diese liegen ausserhalb, eben an solchen Orten, die nicht für Touristen bestimmt sind.

Schon nach 5 Tagen fühlen wir uns hier fast schon wie zu Hause. Unsere Gastfamilie ist recht freundlich, aber trotzdem fühlen wir uns fast wie im Hotel, denn in das Familienleben sind wir doch wenig integriert. Aber über das Essen und unser Zimmer können wir uns nicht wirklich beschweren, also:”no hay problema.” Auch in unserer Sprachschule fühlen wir uns schnell wohl, obwohl wir nur fünf Studenten sind. Dafür ist der Unterricht umso intensiver und wir lernen nicht nur viel Spanisch und Salsatanzen, sondern auch viel über das Leben hier, denn unsere Lehrer sind sehr nett und erzählen uns viel über ihr Leben.
Zum Thema Klima lässt sich nur so viel sagen:“estamos klebiando“ Wir gehen mal davon aus, dass ihr versteht, was damit gemeint ist. Hu, ist das eine Hitze hier und wo bitte ist der Winter? Alles ist hier voller Pfützen, aber der Regen hat ein echt gutes timing und kommt meistens nur nachts.

Am Wochende gehen wir mit anderen Studenten und ein paar Kolumbianern in eine Diskothek. Ohweh, da können einem schon fast die Tränen kommen, wenn man an die steifen Tanzversuche der Schweizer denkt. Hier sind einfach alle in Bewegung und das mit allem, was man so bewegen kann. Ganz anders als zu Hause bestellt man hier auch nicht ein bescheidenes Gläschen Alkohol. Da wird einfach ohne grossartige Kompromisse eine Flasche Rum, ein Kübel Eis und Cola geordert und dann noch eine zweite Flasche und weil`s so schön war……

Montag, Oktober 09, 2006

Jana

24 Jahre ist es her seid Jana das Licht der Welt erblickt hat. Vor ein paar Monaten hat sie das erste Staatsexamen zur Sonderschulpädagogin hinter sich gebracht.

Janas Welt ist in Ordnung, wenn sie ihre Gitarre dabei hat oder ihr Skizzenheft mit Aquarellkasten. Oder auch ein Buch. Ja so geht es, wenn die Partnerin Kunst als Nebenfach studiert. Sie ist eindeutig die kreative, künstlerische in unserer Beziehung. Mit ihr erlebt man den Alltag anders, sieht Dinge wie man sie sonst nicht wahrnehmen würde und kann sich mit Jana darüber freuen.

Philipp

Philipp ist 34 Jahre alt und arbeitet als Softwareingenieur. Nächsten Sommer wird er dann sein Zusatzstudium als Wirtschaftsingenieur beenden.

Zu Philipps Hobbies fällt mir im ersten Moment sofort der Begriff Sport ein. Egal ob beim Joggen, Mountain biking, Squashen oder beim Klettern in den Bergen, Philipp braucht immer seine Bewegung. Das gefällt mir zwar eigentlich, kann aber spätestens dann ziemlich mühsam werden, wenn ich nach einer seiner Überredungsaktionen mal wieder völlig verzweifelt beim Klettern über einem Abgrund hänge und jaule, weil ich weder vor noch zurück kann. Dafür erlebe ich durch ihn aber auch viel mehr, als wenn ich in Sachen sportliche Unternehmungen das Sagen hätte.
Ansonsten ist Philipp, vorausgesetzt er hat genügend Schlaf bekommen, eigentlich zu allem nett, was auch zu ihm freundlich ist, egal ob es zwei, vier oder von mir aus auch gar keine Beine hat.
Das, was ich an Philipp wirklich etwas enttäuschend finde ist, dass obwohl er Schweizer ist, sein Hochdeutsch viel zu gut ist, um darüber lachen zu können. Schade, denn die story`s über Faserpelze (Fleecejacken), Maulecken (Mundwinkel), Nastücher und Co finde ich nach wie vor ziemlich witzig.
Auf jeden Fall kann man aber mit Philipp beim Reisen sicher viel erleben, vor allem eben auch solche Sachen, die einem sonst nicht einfallen würden.