Vor vier Jahren haben wir uns beim gemeinsamen Reisen in Mittelamerika kennen gelernt. Seitdem können wir unsere Erlebnisse dort, die herzlichen Menschen, die unglaublich reiche Natur, die Musik und das Gefühl zu reisen einfach nicht vergessen. Und das wollen wir auch gar nicht. Nur eins steht fest: Wir müssen noch einmal nach Lateinamerika, denn einmal angefangen, ist das Reisen fast so etwas wie ein inneres Gesetz, man könnte es auch Fernweh nennen. Das ist einfach da, mal mehr, mal weniger und es hört erst wieder auf, wenn wir wieder da stehen, am Flughafen wie Schildkröten mit unseren Rücksäcken auf dem Rücken und dem Flugticket in der Hand, unsere Eintrittskarte in das Unbekannte. Dann sind wir nicht mehr Ingenieur oder Student. Dann sind wir Reisende, alles andere verschwimmt allmählich. Die Hektik und der Alltag liegen hinter uns und es ist, als würden wir ein Teil der Welt neu entdecken. Diesmal haben wir uns für Kolumbien und Peru entschieden. Semper, der selbst längere Zeit in Kolumbien gereist ist, beschreibt das Gefühl zu reisen so: „Ich konnte die fest geschriebenen und fest zementierten Denkgewohnheiten meiner Welt hinter mir lassen. Das tägliche Grauen aus hetzenden Menschen, Supermärkten, Verkehrsstaus, Parkplatzsuche, Handyklingeln und Fernsehbildern lag unendlich weit hinter mir. Amazonien war das Land, dem ich mich auslieferte. Alles war direkt, ohne Filter. Alles entstand neu." Drei Monate konnten wir uns diesmal frei nehmen. Diese Zeit liegt jetzt noch unbekannt vor uns und wir sind gespannt, mit welchen Erlebnissen sie sich diesmal füllen wird...

Donnerstag, Dezember 28, 2006

Medellin

Medellin, eine moderne Stadt mit einer Metro, den unzähligen Shoppingmalls, den vielen Ausgehvierteln und modernen Krankenhäusern gilt ausserhalb der versteckten Slums als sicher, freundlich und weltoffen. Auch wir empfinden Medellin so, aber halten uns trotzdem nicht so lange hier auf, da wir in Europa nunmal genug moderne Sädte haben und die Karibikküste auf uns wartet.

Dienstag, Dezember 26, 2006

Wir haben ihn gefunden!


Cali, unsere zweite der drei grossen Städte Kolumbiens ist die warme Salsastadt in der wir Weihnachten verbringen. Wir beschliessen Weihnachten wie wir es von zu Hause kennen auf nächstes Jahr zu verschieben, denn bei 30 Grad im Schatten kommt einfach keine Weihnachtsstimmung auf. So futtern wir statt Lebkuchen und Plätzchen ein ausgiebiges Früchte - Milchshake - Pancake Frühstück und machen uns auf den Weg zum schönsten Tierpark des Landes. Am spannensten sind für uns hier natürlich die einheimischen Tiere, die hier in meist grosszügigen Gehegen umherwuseln.

Und plötzlich, endlich steht er vor uns: wuschelig, zottelig, mit einer riesigen Nase: unser Ameisenbär. Mit der Nase schnüffelt er aufgeregt durchs Gehege, tapst mit den grossen Pfoten gegen den Zaun und macht sogar Männchen. Schnell begreifen wir, dass diese Vorstellung nicht uns zugedacht ist, nein, Herr Bär hat Hunger und schon verschwindet seine Nase in der Futterschüssel und man hört es krunksen und schmatzen. Doch schnell ist die Schüssel leer und Herr Bär steckt seinen Rüssel durch den Zaun in den Futternapf der Nachbarin auf deren Rücken sich ein kleines Ameisenbärbaby festklammert. Das lange Warten hat sich also gelohnt! Nach dem Futtern verzieht sich Familie Ameisenbär zum Mittagsschläfchen und wir gehen weiter, um eine riesen Galapagosschildkröte, eine Kamikazeschildkröte, die es sich auf den Rücken eines Kaimans gemütlich gemacht hat und einen schwimmenden Brillenbär zu beobachten.

Abends gehen wir essen und am nächsten Tag feiern wir Weihnachten so, wie die Leute aus Cali es machen: die Strassen sind voll, bunt und laut, Rumba ist angesagt! Die Diskotheken reihen sich aneinander, alles tanzt und trinkt. Wir gehen Salsa tanzen und müssen uns auf der übervollen Strasse, so wie es hier Brauch ist, mit weissem Schaum besprühen lassen.

Am am nächsten Tag halten wir es wie die Einheimischen und fahren aus der Stadt heraus an einen kühlen Bergfluss. Kaum angekommen werden wir auch schon zu einer Flasche Rum eingeladen, eine Einladung, die man praktisch nicht ausschlagen kann. Ein Vater, der an diesem Tag sicher nicht die erste Flasche leert, tanzt in Unterhose mit seinen Töchtern im Fluss herum und aus seinem Auto tönt laute Salsa Musik. Die riesen Rum Flasche leert sich schnell und plötzlich sieht man wie die verzweifelt guckende Jana zum Parkplatz gezerrt wird und mitten am Tag im Bikini mit dem Mann in der Unterhose Salsa tanzen muss. Kaum ist das überstanden steht plötzlich die Polizei am Auto. Die interessieren sich aber nicht für den Alkoholspiegel des einzigen Fahrers, sondern eher für seine Unterhose und die laute Musik zu der inzwischen der halbe Fluss tanzt. Unsere Einwände, dass er so nicht mehr fahren kann werden ignoriert und auch seine erwachsene Tochter meint, dass das doch ganz normal wäre. Dennoch verzichten wir auf die angebotene Mitfahrgelegenheit ins Ungewisse. So tuckert der voll betrunkene Vater mit seinen Töchtern nach Cali während zwei verdutzt guckende Touris dem Auto nachwinken und die Welt nicht mehr verstehen.

Samstag, Dezember 23, 2006

El Valle

Das Dorf El Valle liegt abseits der Touristenzentren und den modernen Grossstädten. Die einzige Strasse aus dem Ort führt in das nächste Dorf und endet dort. Auf der einen Seite wird das Dorf durch den undurchdringlichen Regenwald begrenzt, der direkt in den weiten Pazifik mündet. Hier kennt jeder jeden, das ganze Leben läuft auf den nicht asphaltierten Strassen ab, Gewalt oder Kriminalität kennt man hier nicht. Nach kurzer Zeit haben wir das Gefühl das halbe Dorf zu kennen: mit Einigen waren wir gemeinsam auf dem Schiff, Andere treffen wir beim Schlendern durch die Strassen und am Strand.

In die langen Sandstrände, die wir praktisch für uns allein haben münden viele kleine Flüsschen. Wir folgen einem Bächlein ein Stück in den Urwald und stehen plötzlich vor einem kleinen Wasserfall mit frischem, klaren Wasser und natürlich geniessen wir diese wunderschöne Naturdusche. Danach baden wir noch im warmen Pazifik und bestaunen den kitschig schönen Sonnenuntergang.

Im Hotel gibt es jeden Abend frischen, leckeren Fisch und danach verziehen wir uns mit unserer Rumcola zufrieden in die Hängematten. Bei einem unserer Strandspaziergänge treffen wir eine freundliche Hotelbesitzerin, die am Strand regelmässig die Schildkröteneier einsammelt, damit sie nicht von anderen Leuten gefunden und gegessen werden. Sie übergibt uns zwei kleine supersüsse, einen Tag alte Meeresschildkröten, die in unseren Händen aufgeregt mit den Flossen zappeln. Mit unseren kleinen "Patenkindern" in der Hand gehen wir zum Strand und setzen die Beiden auf den Sand.
Da krabbeln sie nun mehr oder weniger zielstrebig auf das Meer zu, stolpern tapsig über den einen oder anderen Stein und werden von der ersten Welle auf den Rücken gespült, bis sie endlich strampelnd mit dem Köpfchen aus dem Wasser ragend von den Wellen in den weiten Pazifik gezogen werden. Abgesehen von knuffigen Babyschildkröten treffen wir am Stand aber auch viele nette Leute, so auch Neider, der uns in den wenigen Tagen ein richtiger Freund wird. Mit ihm gehen wir am nächsten Abend auch zur "Rumba" ins Dorfzentrum, wo die Leute auf ihre ganz eigene Art und Weise die Vorweihnachtszeit feiern. Mit Trommeln, Rasseln, Gesang und viel Rum ziehen die Leute bis spät in die Nacht im Watschelschritt durch die Strassen.

Am nächsten Tag machen wir mit Neider in einem Boot einen Ausflug in den Nationalpark "Ensenada de Utria", wo wir durch den Regenwald wandern und am wunderschönen Playa Blanca im warmen Pazifik plantschen. Dort treffen wir auch einige Indios, die auf der Insel praktisch alles finden, was sie zum Leben brauchen. Viel weiter den Fluss hinauf leben auch andere Indios, die den Kontakt zur moderen Welt komplett ablehnen und dort ein abgeschiedenes Leben führen.

Sonntag, Dezember 17, 2006

Viajando - Unterwegs im Choco

Zur Pazifikküste und hinauf in den Norden liegen noch einige Kilometer vor uns, aber auch viele neue Erlebnisse und Begegnungen. Alles was der Lateinamerikareisende braucht ist Geduld - "tranquillo", irgendwann wird man schon ankommen. So nehmen wir es auch "tranquillo" als unser Bus von Cali zu dem Küstenort Buenaventura nach einer Stunde rasanter Fahrt plötzlich alle fünf Minuten neues Öl braucht, das er sehr zum Missfallen des Busfahrers sogleich wieder fein säuberlich auf die Strasse verteilt. Abwechselnd fluchend und ölverschmiert unter dem Bus liegend oder optimistisch auf die Passagiere einredend versucht der Busfahrer einerseits den Bus zu reparieren und andererseits die Flucht seiner Passagiere zu verhindern. Nach einer weiteren halben Stunde spuckt der Motor immernoch Öl und die Passagiere sind alle geflohen, bis auf zwei Gringos deren Rucksäcke so gut eingeschlossen sind, dass sie immernoch im Bus festsitzen. Doch irgendwann haben auch wir einen anderen Bus gefunden, der uns durch die satte grüne Landschaft fährt. Wie im Film ziehen an uns die Gesichter der bewaffneten Soldaten vorbei, welche die Strasse sichern da in der Gegend noch immer Guerillagruppen aktiv sind.

Vor dem Ort Buenaventura wurden wir von vielen Seiten gewarnt: "Wenn sie euch nicht umbringen, werden sie euch ausrauben," ist die wenig optimistische Prognose eines Mannes, den wir im Bus treffen. Buenaventura hat im ganzen Land einen sehr schlechten Ruf, nicht nur wegen der Anwesenheit der Guerilla und Paramilitärs in der Umgebung, sondern auch wegen der herrschenden Gewalt, den Alkoholismus und der Armut. Darum wollen wir uns dort auch nicht lange aufhalten und haben noch für den selben Tag eine Reservierung für ein Schiff. Doch am Frachthafen erfahren wir, dass das Schiff erst am nächten Abend auslaufen würde, da noch Fracht fehle. Aber wann legt ein Schiff hier auch schonmal pünktlich ab... Also laufen wir durch die schmucklosen Strassen Buenaventuras, wo das Leben ganz anderes aussieht als im Hochland. Plötzlich sind fast alle Menschen schwarzhäutig, gross und sprechen einen komischen Dialekt. Auch wenn die Häuser ziemlich heruntergekommen sind, die Bewohner sind nett, aus den Bars klingt Salsamusik und an der Strandpromenade trifft sich am Wochenende alles, um Rum zu trinken, zum Sehen und Gesehen werden. Hauptsache kurz und eng ist die Devise bei den Frauen hier und wenn der Po noch so rund ist, Stretch "passt" immer, stellen wir grinsend fest.

Und als wir abends zum Hafen zurück kehren um die Nacht auf dem Schiff zu verbringen sind wir uns einig, dass selbst das als gefährlich geltende Buenaventura nicht dem düsteren Bild entspricht, das in unseren Ländern von Kolumbien vermittelt wird. Das Leben in Kolumbien hat einen normalen Ablauf, die Leute sind aussergewöhnlich freundlich und offen, das Land wirkt nicht zuletzt wegen des lukrativen Drogenhandels insgesamt recht gut entwickelt und modern. Einzig die vor allem hier im Choco vermehrte Anwesenheit von Militär erinnert daran, dass die Sicherheit, die in den meisten Regionen des Landes herrscht nicht natürlich ist. Die am meisten Betroffen der ewigen Kämpfe zwischen Militär, Paramilitär und Guerilla sind die "Desplazados", die Heimatlosen, die einzelnen Familien aus den dünn besiedelten Regionen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden und ohne Hab und Gut in den Städten keinen neuen Anfang finden.

Auf dem Schiff stellen wir schnell fest, dass die Zeit der ruhigen Amazonasdampfer mit den Hängematten nun vorbei ist. Das Frachtschiff hat einige enge sechs Mann Kabinen und schon von weitem sieht man Janas Nase aus der Schiffsluke gucken, die sich dankbar die einzige Koje mit Ausblick gesichert hat. Der Abend wird aber lustig. Die ausser uns bisher einzige Passagierin packt eine grosse Flasche "Aguardiente" aus, die der diensthabende Matrose auf der Schiffsbrücke grosszügig verteilt. Aus den Lautsprechern seines CD- Players tönt lauter Vallenato, Salsa und Cumbia in die Nacht, jedes Lied wird entsprechend lautstark bewertet. Abends um zehn stehen die Beiden dann schon ziemlich angetrunken und zufrieden kichernd in der Schiffsküche um sich ein "Pescadito" zu brutseln.

Nach einem Tag Zeit totschlagen und der einen oder anderen Stunde zusätzlicher Verspätung legen wir nachts um ein Uhr mit dem Eintreffen der Nachtflut endlich ab. Auf dem Schiff herrscht richtige Urlaubsstimmung, da über Weihnachten viele Kolumbianer in die Ferien fahren oder zu Besuch zurück nach Hause gehen. Am nächsten Morgen stellen wir schon ziemlich grün im Gesicht fest, dass dieses Geschaukel eigentlich nur im Liegen auszuhalten ist und so verbringen wir dann auch die nächsten zehn Stunden auf dem Pazifik. Nachts kommen wir endlich in dem kleinen Ort Bahia Solano an und nach einer weiteren Übernachtung auf dem Schiff rattern wir im voll bepackten Kleinbus über die verschlammte Buckelpiste ins Nachbardorf. Doch es kommt was kommen musste, wir stecken plötzlich tief im Schlamm fest. Da hilft auch kein Geschaufel und Geschiebe mehr, also wird der Bus kurzerhand von einem LKW rückwärts aus dem Matsch geschoben. Und so erreichen wir irgendwann doch noch unser Ziel, den abgelegenen Küstenort "El Valle".

Donnerstag, Dezember 14, 2006

San Augustin

Hier finden wir unser bisher gemütlichstes Hostal. Ein sympathischer Schweizer hat sich hier eine schöne Finca aufgebaut (http://www.elmaco.ch). Wir wohnen in einem strohbedeckten liebevoll dekorierten Tipi, das in der Mitte eine kleine, gemütliche Feuerstelle hat. Alle, die Philipp kennen, können sich jetzt sicher schon vorstellen, was das bedeutet... Tatsächlich sitzt Jana am nächsten Abend hustend im qualmenden Häuschen bis sie es nicht mehr aushält und fluchend flüchtet während der eingenebelte Philipp tapfer, aber erfolglos mit dem feuchten Holz kämpft. Praktisch für ihn, so wird er die schimpfende Jana und die nervigen Moskitos gleichzeitig los.

Im Gemeinschaftspavillon mampfen wir mit den anderen Gästen Früchtemüsli mit selbstgemachtem Joghurt, frisch gebackenes Brot und leckere Pizza. Und als wir so zufrieden und voll gefuttert mit einer schnurrenden Katze auf dem Bauch in den Hängematten schaukeln, würden am liebsten garnicht mehr gehen.

Eigentlicher Anzugspunkt sind aber die Steinfiguren und Grabstätten der präkolumbianischen San Augstin Kultur, die sich über grosse Teile der Umgebung verteilen. Im wichtigsten Ort, dem archäologischen Park leisten wir uns mit den zwei Australiern, die eine Weile mit uns reisen einen sogenannten "Guia". Er führt uns zwischen den grimmig dreinschauenden Figuren umher und gibt uns "äusserst" hilfreiche Informationen. Die Australierin ruft z.B. begeistert:"Seht mal ein Pinguin!" Und der Guia antwortet kompetent:"Jaja, das sieht so aus wie ein Pinguin, ist aber keiner." Echt!? Und wir dachten schon hier hätten früher die berühmten Andenpinguine gelebt! Um uns so richtig gut hinters Licht zu führen erzählt er uns von seinen Erfahrungen mit psychogenen Pilzchen und packt seine selbst gebastelte Wünschelrute aus mit der er gewichtig zwischen den Skulpturen umherwuselt und alle zwei Meter geheimnisvolle Wasseradern oder Kraftfelder findet. Als er dann seine informative Wünschelrute nach der Lage des Nordens befragt und sich dieselbe magisch in die richtige Richtung bewegt, reicht es unserem grinsenden Australier, der nun ähnlich gewichtig durch die Gegend stolziert und die Stöckchen nach geheimnisvollen Gegebenheiten befragt:"Donde estoy yo?" (Wo bin ich?). Und oh Wunder dreht sich die Rute zu ihm. Wirklich ein mystischer Ort dieser Park! Für das nächste Mal wissen wir jedenfalls: wo Guia draufsteht ist nicht unbedingt auch Guia drin.

Am nächsten Tag suchen wir uns einen abgelegeneren Fundort aus, der Guia- und Touristenfrei ist und über einem sattgrünen Tal mit vielen schönen Wasserfällen liegt. Auf dem Rückweg treffen wir einen weiteren Schweizer, der sich hier eine Finca aufbaut und eine Deutsche, die in San Augustin Abstand vom zermürbenden Berufsalltag in Deutschland gefunden hat. Bei einem in der hauseigenen Quelle gekühlten Bier quatschen wir über Kolumbien.

Montag, Dezember 11, 2006

Bogota

Gepflegte Kolonialhäuser, moderne Autos, Menschen in teuren Anzügen, blinkende Weihnachtsbeleuchtung. Bogota präsentiert sich uns als moderne Stadt, als Geschäfts- und Kulturzentrum. Egal ob tagsüber oder abends, wir fühlen uns auf den Strassen in der gepflegten Altstadt Candelaria sicher, welche die bedrückende Stimmung und den Schmutz von Lima vermissen lässt. Doch umso mehr sind sie offensichtlich, die Gegensätze Bogotas. Auf den Strassen vor den gepflegten Kolonialstilhäusern streiten sich verwahrloste Hunde und völlig mittellose Menschen buchstäblich um den Abfall der Wohlhabenden. Zwischen den noblen Shoppingmalls und Geschäftszentren im Norden und den heruntergekommenen Slums im Süden der Stadt teilt sich die Welt.

Am Wochenende spielt sich ein grosser Teil des Lebens auf dem Hauptplatz, dem "Plaza Bolivar" ab. Familien schlendern Eis schleckend über den Platz, Liebespärchen flanieren über die Avendia und geniessen die freie Zeit. Um jedoch von dieser Illusion des unbeschwerten Lebens abzulenken sitzen schwarz verschleierte Frauen unter ihrem dunklen Regenschirm entlang der Avenida und bilden eine vier Kilometer lange Menschenreihe der Erinnerung. Vor jeder Frau liegt ein Stein auf dem eine Jahreszahl und der Name ihres ermordeten Sohnes, Vaters oder Ehemannes steht. Sie möchten an die Menschenrechtssituation des Landes erinnern, das trotz einiger positiver Veränderungen noch immer die weltweite Spitzenposition in Bezug auf die Mord- und Entführungsrate einnimmt.

Bogota ist eine Stadt, die nachdenklich stimmt, aber auch verlockenden Komfort bietet. Diesen nutzen wir auch und gehen erstmal schicke Latinojeans shoppen. Ein Muss ist auch das faszinierende Goldmuseum, das hinter blitzenden Vitrinen erstaunliche Stücke aus Gold und Keramik aus präkolumbianischen Zeiten ausstellt. Jetzt wissen wir auch wo Von Däniken seine abgedrehten Ideen her hat! (siehe Foto)

Eine sehr sympathische, wenn auch langatmige Führung bekommen wir im Polizeimuseum in dem neben den üblichen Dingen auch persönliche Gegenstände und das Blut des bekannten Bosses der Drogenmafia Pablo Escobar, brutale Fotos von anderen getöteten Narcotraficantes und von Kugeln zerfetzte Uniformen erschossener Polizisten ausgestellt sind.

Freitag, Dezember 08, 2006

Vom verlorenen Ameisenbär

Leticia, unser erster Stopp in Kolumbien lässt Heimweh nach Peru aufkommen. Umgeben von Urwald und nur auf dem Luft- oder Wasserweg erreichbar scheint Leticia zwar erstaunlich lebendig zu sein, hat aber die besten Zeiten wohl schon hinter sich. Drei Stunden lang suchen wir maikäfermässig bepackt, genervt nach einem Hotel, das nicht schon geschlossen wurde, bezahlbar ist und Matratzen hat, die zumindest ansatzweise diesen Namen verdienen. Dann hufen wir dreimal zum Flughafen und zurück in der Hoffnung den Piloten eines Cargoflugzeuges zu überreden, uns mitzunehmen. Doch auch das geht schief, da vor zwei Wochen eine eben solche Maschine in Leticia abgestürzt ist und die Mitnahme von Passagieren im Frachtraum nun verboten ist. Also müssen wir einen normalen Passagierflug ins 1000km entfernte Bogota buchen.

Doch als Trost wartet im Zoo von Leticia noch der fotogene Ameisenbär auf uns, denken wir. So hat Jana sich schon seit Monaten auf das langersehnte Treffen mit ihm gefreut. Kurz vor dem erhofften Treffen hat sie nocheinmal die Kameralinsen geputzt und eine extra Packung Filme eingepackt. Dann spazieren wir grinsend und erwartungsvoll los. Doch was treffen wir an? Einen knurrigen Zoowärter, der uns sagt, dass der Zoo geschlossen wurde, uns aber anbietet für ein unverschämt hohes Schmiergeld die wenigen zurückgebliebenen, verwahrlosten Tiere des Zoos so besichtigen. Nachdem wir enttäuscht abgelehnt haben, schlurfen wir hängenden Kopfes davon und so setzt sich die Suche nach dem Ameisenbär weiter fort.


Dienstag, Dezember 05, 2006

Den Amazonas hinunter

Von nun an liegen mehrere Tage Schifffahrt vor uns. Und auch wenn wir in der Hängematte jede Bewegung von jemanden mitbekommen, der ein paar Hängematten weiter schaukelt: so wirds wenigstens schön kuschelig. Schnell kramen wir mal wieder die Familienfotos hervor (ihr seid hier langsam richtig berühmt!) und immer wieder kommt jemand vorbei um zu quatschen. Unsere besten Stammkunden sind aber die kleinen Kinder, die sich unsere berühmten Hugos (Luftballonhunde) abholen und es sich zum Ziel machen mit den geschenkten Tröten lautstark in jede Hängematte mit einer schlafenden Person zu prusten. Auch die anderen Reisenden, die wir hier etwas abseits der üblichen Routen treffen sind irgendwie sympathischer. Aber trotz aller Freude verschwindet auf rätselhafte Weise immer mal das Eine oder Andere Gepäckstück. Zum Glück hat Philipp unseren schwedischen Mitreisenden noch den Tipp gegeben das Geld und den Pass aus dem kleinen Rucksack zu nehmen, denn ein paar Stunden später ist dieser samt Digicam verschwunden. Wie gut, dass wir unseren mit einem Fahrradschloss angebunden haben!

Einen kurzen Zwischenstop machen wir in Iquitos, wo wir den speziellen Stadtteil "Belen" besuchen. Alle Häuser schwimmen auf dem Amazonas, Kanus werden zu Restaurants umgebaut, Kinder springen von allen Seiten ins Wasser, Frauen waschen ihre Kleidung am Fluss und das Ganze ergibt trotz der herrschenden Armut ein idyllisches Bild. Auf dem nahegelegenen Markt gibt es einfach alles zu kaufen: von kuschligen Faultieren bis hin zu geheimen Schamanenwässerchen, Schlangenköpfen und psychogenen Pülverchen.

Nach der kurzen Erholung in Iquitos sitzen wir auch schon wieder schaukelnd im Schiff. Dort quatschen wir mit den anderen Touristen und beobachen den ewig andauernden Kreislauf des Auf- und Abladens und Hin- und Herschaukelns. Regelmässig fegt ein Junge mit dem Besen an uns vorbei und wir freuen uns, dass offensichtlich doch etwas auf Sauberkeit geachtet wird. Dann beobachten wir allerdings die sogenannte Mülltrennung auf peruanisch: erst sortiert der Junge alle Plastiksachen aus, öffnet das Fenster und schwups weg damit und dann kümmert er sich um penibel darum auch den brennbaren Abfall über die Reling zu werfen. Und so schippern wir auf dem immer breiter werdenden Amazonas umgrenzt vom unendlichen Regenwald in Richtung Kolumbien.


An dieser Stelle wird es Zeit sich von Peru zu verabschieden, dem Land, dass uns so überrascht hat.

Der Geruch von Lima, der endlosen Stadt,
die Augen und Türen verschliesst vor dem,
was sie nicht verantworten will.

Düstere Indiofrauen.
Verschleiert. Verschlossen.

Schmutzige Kinder am Strassenrand,
die gelernt haben,
wie man "Moneda" erbettelt.

Offenbaren sich unerwartet die wahren Schätze
des armen - reichen Landes.

Verborgenes Kulturgut, geheimnisvoll,
Jahrhunderte lang konserviert
erzählt es seine eigene Geschichte.

Immergrün die Bäume, meterhoch,
Leben in allen Farben,
jeder Wurzel, in der Luft, im Wasser,
überall Bewegung.

Willkommen. Unzählige Gesichter,
Orte, Geschichten.
Lachen. Vertrauen.

Vom Kühlen ins Warme.
Vom Unerwarteten ins Vertraute.
Vom Erleben zum Erlebnis.
Vom Erlebnis zur Erinnerung
werden wir dieses Land nie vergessen.

Samstag, Dezember 02, 2006

Samiria Pacaya

Die kurvenreiche letzte Strasse für die nächste Zeit bringt uns, wenn wir nicht gerade im Schlamm fest stecken, einem unvergesslichen Erlebnis immer näher. Ab Yurimaguas, unserem ersten Zwischenziel sind wir von nun an vorerst nur noch mit dem Boot unterwegs. Mit unseren Hängematten kleben wir Seite an Seite aneinander auf dem uralten schmuddligen Holzkahn und müssen die romantische Vorstellung von schaukelnden Hängematte mit Blick auf den Sonnenuntergang aufgeben. Als Krönung wird uns dann auch noch ein öliger, stinkender Benzingenerator vor die Nase gestellt, der uns stundenlang einnebelt. Und da bei Jana die winkende Katze wieder zugeschlagen hat (siehe Puno), klammert sie sich imodiumschluckend an ihrer Hängematte fest und träumt von sauberen Toiletten und einem Stück Schoggi, das sie in der duftenden Badewann mampft.

In dem kleinen Dorf Lagunas wartet schon eine Horde aufdringlicher Guides auf uns, die uns eine Tour in den Nationalpark aufschwatzen wollen. Eine schöne Auswahl haben wir da: der eine hat eine einladende Alkoholfahne, der nächste redet mit "uns" in der Einzahl, Frauen haben ja eh nichts zu sagen! (Grrr, dich nehmen wir mal mit nach Deutschland!) Irgendwie scheint das ganze Dorf zu wissen, dass zwei Gringos angekommen sind und die Hälfte der Einwohner halten sich scheinbar für kompetente Führer. Müde von diesem ewigen Hin und Her machen wir unerwartet einen riesigen Glücksgriff: wir treffen Klever und wissen sofort als wir sein Haus betreten: hier sind wir richtig. Begeistert erzählt er uns von den Tieren im Park, kramt seinen völlig abgegriffenen Naturführer hervor und malt sich schon aus wie wir abends auf Krokodiljagd gehen. Und auch wenn er uns die Hoffnung auf einen Ameisenbär nimmt grinsen wir wie die Honigkuchenpferde, denn wir haben endlich gefunden, was wir gesucht haben: einen sympathischen und kompetenten Führer (http://www.puertoparaiso.com.pe/). Klever lebt mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern in einem gemütlichen, aber einfachen Häuschen mit einem mit Palmenblättern bedecken Dach. Er ist ein Mann mit einer unglaublichen Energie, dem ständig neue Ideen im Kopf herum schwirren. Als Janas Problem mit der winkenden Katze bekannt wird stellt sich heraus, dass er ausserdem Medizinmann ist und schon sitzt sie mit einem dampfenden Kräuertee in der offenen, überdachten Küche. Dort lassen wir uns von den knuffigen Welpen die Füssen anknabbern und lachen, weil Philipp völlig verdutzt guckt, da ihm das freche Teeniehuhn ohne Einladung auf den Kopft gehüpft ist und jetzt die gute Aussicht geniesst.

Vögel pfeiffen, zwitschern und krächzen, regelmässig taucht das Paddel ins Wasser, ab und zu hören wir ein Knistern am Waldrand, ansonsten ist es ruhig. Vor uns sitzt Klever und steuert das Kanu leise den Fluss hinunter. Im Kanu hinter uns paddelt sein Neffe Armando, voll beladen mit frischen Früchten, Reis und allem, was man zum Leben braucht. Klever erklärt uns sämtliche Vogelarten, die er und Armando auf rätselhafte Weise in den Bäumen ausmachen. Da sind die lustigen gelb-schwarzen "Floristenvögel" deren Nester so schick sind, dass sie im Laden von Janas Mama sicher der Verkaufsschlager wären, Tukane mit den witzigen langen Schnäbeln, Papageien in allen Farben, Kanarienvögel und viele andere kleine bunte Hüpfer wie zum Beispiel die legendäre "Rotschnabelamsel", aber auch grössere Raubvögel, die stolz auf den Ästen sitzen und völlig empört davonfliegen als wir ihre Ruhe stören. Weit oben in den Bäumen sehen wir zwei knuffige Faultiere, die liebevoll einen Ast umarmen und natürlich tief und fest schlafen. Mitten in der Ruhe hören wir vom Uferrand plötzlich einen lauten Platsch ins Wasser. Was war das? Ach, nur ein Krokodil meint Klever, aber in dem trüben braunen Wasser können wir natürlich nichts erkennen.

Zwischendurch machen wir immer mal wieder Rast und anstatt irgendwelchen verdorrten Erdwurzeln gibt es immer lecker frisches Futter. So paddeln wir immer weiter in die Nacht hinein und nahe am Ufer beginnen Klever und Armando mit ihren blitzenden Taschenlampen nach reflektierenden Augen zu suchen. So erschrecken wir so manchen Vogel, der auf dem Ast pennt. Plötzlich stoppt unser Kanu. Tief aus dem Gebüsch blitzen uns zwei Augen an und wir brauchen ewig bis wir sie überhaupt sehen. "Un Crocodrilo", flüstert Klever, es ist ca. zwei Meter gross! Unglaublich da sitzen wir direkt neben diesem Riesending, das aus seinen schmalen Augen ins Licht starrt. Ohne Vorwarnung gibt Armando dem regungslosen Tier einen Stoss mit dem Stock. Blitzschnell macht das plötzlich einen Sprung nach vorne und platscht direkt vor unserem Kanu ins schwarze Wasser. Da hockt Jana nun halb erstarrt und völlig nass während sich Philipp, der hinten im Kanu sitzt über den verwirrten Fisch wundert, der vor lauter Schreck in unser Kanu gehüpft ist. Regenwald hautnah, das hat Klever uns versprochen und jetzt wissen wir, dass er sein Versprechen ernst nimmt. Nebenbei erzählt er uns, dass das Krokodil noch klein war, da es hier Kaimane gibt, die bis zu acht Meter gross werden. Und bei der Vorstellung, dass da so ein hauslanges Monster im tüben Wasser auf uns lauert, verzichten wir zumindest vorerst darauf länger unsere Hände oder Füsse über den Kanurand baumeln zu lassen.

Abends bauen uns die Beiden im Rekordtempo eine Plane und unser Moskitonetz auf. Das ist auch sowas von notwendig, denn diese hungrigen Moskitobiester haben besonders Appetit auf Gringos und fressen sich an uns so pummelig, dass sie fast nicht mehr fliegen können. Als Entschädigung gibt es fritierte Yuka, Omlette und Tomatenavokadosalat. Zur Krönung bekommen wir noch einen leckeren Aniskaffee mit Rum, den wir am Lagerfeuer schlürfen und lauschen Klevers Geschichten über den Regenwald, die Tiere und Menschen hier.

In der Nacht ändern sich die Geräusche. Die Insekten und Frösche liefern sich einen Wettbewerb, im Gebüsch raschelt es, die Fledermäuse flattern dicht an unserem Netz vorbei und der Regen prasselt auf die Zeltplane unter der man die Kratzgeräusche von zwei zerstochenen Gringos hört.

Die nächsten Tage verbringen wir ähnlich spannend, denn der Regenwald ist einfach unglaublich vielfältig. Als wir um eine Kurve paddeln überraschen wir plötzlich eine Gruppe Affen, die gerade über die Baumkronen hüpfen, um den Fluss zu überqueren. Husch, schon wieder fliegt ein Äffchen vorbei, überall knistert und raschelt es. So sehen wir viele verschiedene Affenarten und hören tief im Urwald sogar die lauten Brüllaffen.

An einer Stelle an der sich der Fluss zu einer breiten Lagune öffnet, hören wir auf einmal ein lautes Prusten: ein kleiner grauer Flussdelfin springt fröhlich aus dem Wasser. Alle zwei Minuten muss er wieder an die Wasseroberfläche und wir finden ihn total süss, denn so einen winzig kleinen Delfin haben wir noch nie gesehen. Ein anderes Mal überraschen wir zwei rosafarbene Delfine, die überraschend gross sind. Einem von ihnen hat Klever aus Versehen das Paddel übers Ohr gehauen, aber er nimmt es uns nicht übel und umrundet prustend unser Kanu.

Armando hat ein erstaunliches Geschick Fische zu fangen. Dazu benutzt er einfach eine Lanze und wenn er, wie auch immer einen besonderen Fisch vorbeischwimmen sieht, stösst er blitzschnell zu und hat meistens Erfolg. Da er auf seinen Fang immer sehr stolz ist und da es hier von Fischen nur so wimmelt, überwinden wir unsere Abneigung gegen das Töten von Tieren einigermassen gut und haben so manche leckere Malzeit. Als wir an einem Abend an einer Lagune übernachten verspricht uns Klever, dass es dort sicher keine Krokodile gibt, also hüpfen wir vertrauensvoll ins Wasser und geniessen planschend die Erfrischung. Danach überredet Armando den wenig begeisterten Philipp ihm beim Angeln zu helfen und sofort streiten sich die hungrigen Fische um den Köder, dass das Wasser nur so sprudelt. Abends als wir die Fische verputzen sehen wir plötzlich spitze Zähne aus dem Maul blitzen. Jaja, das sind Piranhas, meint Klever völlig unbeeindruckt und wir sind mitten zwischen ihnen geschwommen! Zum Thema in der Lagune gäbe es keine Krokodile müssen wir auch unsere Zweifel anmelden, denn als wir morgens um zwei Uhr zur Krokodilsuche aufbrechen, greift Armando noch bevor wir losfahren ins Schilf und hält ein verdutztes Babykrokodil in der Hand. Das fühlt sich eigentlich ganz gut an solange man ihm den Mund zuhält. Über Nacht flüchtet noch das eine oder andere Krokodil vor uns, ein echtes Erlebnis!

Am frühen Morgen erreichen wir riesengrosse Seerosen, die auf dem Wasser schwimmen, der ganze Fluss ist hier voller Wasserpflanzen und Insekten, die zu uns ins Kanu hüpfen. Kurze Zeit später fischt Armando die eindeutig hässlichste Schildkröte aus dem Wasser, die wir jemals gesehen haben: zu allem Überfluss riecht die "Manta Manta" auch noch schlimmer als ein Iltis, pfui schnell ein Foto schiessen und dann weg mit dem gnubbligen Stinkeding! Dann sehen wir einen grossen zappelnden Zitteral, der sich an uns vorbei schlängelt, echt riesig diese tauchenden Elektroschocker! Sozusagen als krönenden Abschluss zaubern unsere Guias noch zwei schlafende Anakondas aus dem Gebüsch. Was für ein Erlebnis!

Müde und schmutzig kommen wir in Lagunas wieder an, wo uns Klever einlädt in seinem Haus zu bleiben bis unser Schiff nach Iquitos ablegt. Dort werden wir noch einmal freundlich bewirtet und reden mit Klever über seine Tätigkeit als Schamane und seine Visionen einmal ein Hostal und ein Restaurant zu eröffnen. Und erst als er persönlich unsere Hängematten im Schiff befestigt hat möchte er sich von uns verabschieden. Dieser Abschied fällt schwer, denn Klever ist wirklich ein toller Mensch, der alles dafür gegeben hat, dass wir eine unglaublich erlebnisreiche Tour hatten.




Sonntag, November 26, 2006

Tarapoto

Nach dem ewigen Frieren in den Anden verabschieden wir uns nach einer weiteren Busfahrt endlich von unseren Wintersachen. In Tarapoto hängen wir plötzlich triefend vor dem geliebten Ventilator. Tarapoto, die Stadt der Mototaxis (siehe Foto). Wer hier in ein normales Auto einsteigt ist schon ziemlich uncool! Also schwanken auch wir auf diesen Gefährten durch die Botanik. An der etwas tümpligen, aber entspannenden Lagune werden wir abgeladen, schlürfen Bier und baumeln wie die Faultiere in unseren Hängematten.

Aber da halten wir es nicht lange aus, wo hier doch Affen, Hunde, ein Papagei und eine nette Familie leben. Etwas misstrauisch nähern wir uns den knuffigen Äffchen, die uns freundlich die Hand geben, dann wird das Schwänzchen um dein Bein gebunden und plötzlich sitzt Affe gemütlich auf Philipps Kopf und sucht verzweifelt Läuse. Der Andere öffnet modisch interessiert Philipps Klettverschluss von der Sandale und der nächste ist besonders eitel, da er Jana unbedingt ihr Haargummi klauen möchte. Hat man aber einmal so ein Klammeräffchen an der Hand, kommt man nur schwer weg und sonst gibt es ein riesen Geheule.

Und wie eigentlich immer, wenn man Interesse an den Tieren oder Kindern zeigt kommt man schnell in Kontakt zu den Menschen. Der ca. dreizehn Jahre alte Junge, der hier sein spezielles Leben führt, möchte uns unbedingt zu einer Cola einladen und danach füttern wir die Äffchen mit Inkacola und Yuka. Der Junge hat scheinbar keine Schulbildung und auch keine Freunde hier ausserhalb der Stadt. Er freut sich darum total über unsere Gesellschaft, führt uns alle möglichen Kunststückchen vor und läuft zum Abschied winkend hinter uns her.

Mittwoch, November 22, 2006

Chachapoyas – eine Gegend zum Bleiben

Unerwartet finden wir uns plötzlich in einer faszinierenden Gegend wieder. Am Hauptplatz, dem plaza de armas beobachten wir das quirlige Andenleben ausserhalb der Touristenzentren. Von weitem ruft jemand und winkt uns zu. Endlich erkennen wir den Chico wieder, der mit uns zusammen im Bus nach Chachapoyas gefahren ist. Philipp ist sofort sein „amigo“ mit dem er unbedingt mal ein Whisky oder ein Cerveza trinken möchte. Unser netter Hotelchef vergisst vor lauter Begeisterung für diese unglaublich vielfältige Gegend uns seine Tour zu verkaufen und gibt uns stattdessen die besten Tipps, wie wir das Ganze auf eigene Faust machen können.

So rumpeln wir dann am nächsten Morgen um vier Uhr früh im voll besetzten „Colectivo“(Sammeltaxi) über die ungeteerten Strassen. Mit im Auto sitzen Einheimische, die anfangs der Woche zur Arbeit fahren. Die Männer neben uns kennen sich zwar nicht, aber nach fünf Minuten Unterhaltung klopfen sie sich gegenseitig grinsend auf die Schultern:“Mi hermano“, mein Bruder, nennen sie sich und tauschen sich über ihr Leben aus. Hier freuen sich alle über uns Touristen, denn davon gibt es hier noch nicht so viele. So werden auch wir gleich freundlich über uns ausgefragt.

Unser eigentliches Ziel ist die Festung Kuelap, eine Präinkastadt, die das Volk der Chachapoyas gebaut hat. Umgeben von gewaltigen, praktisch uneinnehmbaren Mauern tront die Stadt auf der Spitze des Berges. Die Männer aus unserem Colectivo, die hier die Restaurierungsarbeiten machen laufen mit uns das letzte Stück den Berg hinauf und dann haben wir die Stadt für uns allein.
Das ist schon ein tolles Gefühl, als wir den Eingang passieren und vor uns die Steinmauern, Rundhäuser und Türme aus dem üppigen Nebelwald ragen! Begeistert klettern wir herum und freuen uns, dass hier noch nicht alles perfekt herausgeputzt ist, so macht das Entdecken einfach am meisten Spass!

Allerdings sind die Fortbewegungsmöglichkeiten hier beschränkt, denn den Weg, den wir gekommen sind können wir nicht mehr zurück da es keine Autos gibt. Also hufen wir auf der anderen Seite des Berges zehn Kilometer und 1200 Höhenmeter den Berg hinunter zum nächsten Dorf. Der alte Inkaweg führt an einfachen Holzhütten mit rennenden Hühern, lustigen Welpen, schmutzigen Schweinchen und sturen Eseln vorbei. Das nötige zum Leben transportieren die Leute mühsam mit Pferden und Eseln den steilen Hang hinauf und wir kreuzen die eine oder andere „Karavane“, aber alle die wir treffen versprechen uns, dass es im Dorf unten genug Autos zurück nach Chachapoyas gäbe.

Im verschlafenen Dorf angelangt setzen wir uns zu den netten, wenn auch etwas trägen Polizisten vor die Polizeistation und warten. Wir haben ja Zeit denken wir, als wir feststellen, dass zwar im 20 Minutentakt einige Autos vorbeifahren, die aber dummerweise immer in die falsche Richtung gehen. Plötzlich fahren zwei grinsende, filmende „Gringos“ in ihrem Mietwagen an uns vorbei, wenden am anderen Ende des Dorfes und fahren dann wieder an uns vorbei. Und da wir zu lange darüber staunen zwei Touristen an diesem einsamen Ort zu sehen, verpassen wir so leider eine mögliche Mitfahrgelegenheit.

So bleiben wir gezwungendermassen ein Bestandteil des langweiligen Dorflebens: Die alte Frau gegenüber mit ihrer bananenbeladenen Schubkarre, die Kinder, die mit Armeehosen und einem Holzgewehr Krieg spielen und natürlich die vier quasselnden Polizisten, die ab und zu mal ein Auto kontrollieren. Nach fast drei Stunden Warten werden wir dann doch langsam zappelig, was auch die freundlichen Polizisten bemerken: kurzerhand halten sie das nächstbeste, voll besetzte Colectivo an. „Wir haben hier noch zwei Gringos, rückt doch mal etwas zusammen“, sagen sie, schieben uns ins Taxi und winken grinsend zum Abschied. Da sitzen wir nun in dieser rasenden, klappernden Schüssel (Toyota Corolla) und fühlen uns wie eine Ölsardine, nur ohne Öl. So kann man sich den Airbag auch sparen! Eingeklemmt holpern sieben Erwachsene, vier Kinder und Gepäck auf der unbefestigten Erdpiste zurück.

Die Chachapoyas haben sich jedoch nicht nur eine coole Festung gebaut, sondern auch sonst noch eine Menge interessanter Sachen in der Gegend verteilt. So stehen wir am nächsten Tag staunend vor einer grossen Felswand. Erst nach genauem Hinsehen erkennen wir, was wir gesucht haben: Mitten in der Felswand befinden sich sehr gut erhaltene Figuren, die eigentlich Sakopharge sind, in deren Inneren sich auch heute noch Mumien befinden! (Siehe Foto!!)

Nach mehreren Stunden gehen und Auto suchen sind wir endlich zurück in Chachapoyas. Dort treffen wir dann die beiden anderen Touristen, die im Auto inzwischen mehrmals an uns vorbeigeholpert sind. Schnell stellt sich heraus, dass sich die beiden Frankfurter auch an uns erinnern können, „die ersten Touristen“, haben sie uns im Vorbeifahren genannt. Und bei einem Bier tauschen wir uns über unsere Erlebnisse in diesem tollen Land aus.

Sonntag, November 19, 2006

An der nördlichen Pazifikküste

Weiter entlang der kargen Küste reisen wir nach Norden. In Huanchuco einem kleinen Dorf bei Trujillo versucht Philipp das, was hier alle von klein auf lernen: surfen. Nach stundenlangem paddeln und salzwasserschlucken im kalten Meer wird er irgendwann wieder an Land gespült und träumt von der „perfekten Welle“, die auch den armen Anfänger trägt.

An der Küste in der Nähe liegen die historischen Ruinen der grössten präkolumbianischen Stadt Amerikas "Chan Chan". Der Ort wurde ca. 1300 v.Chr. gegründet und war mit ihren 60´000 Einwohnern von ungewöhnlich grossen Ausmassen. Später wurde die reiche Stadt von den Inkas eingenommen. Heute ist nur ein sehr kleiner Teil der Stadt erhalten bzw. restauriert, aber wir sind wirklich erstaunt, dass sich die über die Jahrtausende die gewaltigen Erdmauern, Fresken und Häuser relativ gut erhalten konnen. Rings um den restaurierten Teil verteilen sich über weite Strecken einzelne mit Erdmauern und tiefe Löcher im Erdreich –das Werk der vielen Grabräuber.


Mittwoch, November 15, 2006

Von den Anden an die Küste

Eben noch frierend auf 4000m Höhe, steigen wir plötzlich schwitzend fast auf Meereshöhe aus. Huacachina, eine kleine Oase in der Wüste ist unser nächstes Ziel. Umgeben von Sanddünen lädt dieser kleine Flecken Grün zum Relaxen am Pool ein. Dumme Idee, stellen wir am nächsten Tag fest, als wir unter dem Sonnenbrand leiden.

Weiter geht's nach Pisco, einer wenig glanzvollen aber sehr lebendigen Stadt am Pazifik. Hier, wie zur Zeit überall in Peru ist praktisch nonstop "Rumba" (Party) angesagt, denn am nächsten Wochenende sind Wahlen und wenn man die Leute hier überzeugen kann, dann wohl mit Fiestas, lauter Musik, reissenden Reden und permanenten Lausprecherdurchsagen. Am Hauptplatz, dem Plaza de Armas überschallen sich die Parteien dann gegenseitig und ständig werden weitere, noch grössere Lautsprecher nachgeliefert. Von tanzenden Maskottchen bis zu marschierenden Kleinkindern wird alles Mögliche aufgeboten. Die Tatsache, dass hier viele Wahlberechtigte weder Schreiben noch Lesen können bedingt ein spezielles Wahlprozedere: Jede Partei hat ein netsprechendes Symbol, das angekreuzt werden muss. Wie das geht sieht man praktisch an jeder Hauswand. Es gibt u.a. die Schaufel-, Besen-, Kartoffel-, Panflöten-, Topf-, und Lamapartei. Ganz klar dass wir nicht die Kartoffelpartei wählen würden wo doch Lamas viel niedlicher sind! Nachdem wir also den ganzen Tag und die halbe Nacht vom Wahlkampf beschallt werden, bemüht sich am Morgen das Federvieh um die Fortsetzung des Lärms. Hauptsache immer schön laut, da sind sich Mensch und Tier einig, denn pünktlich morgens um 5 Uhr liefern sich scheinbar zerstrittene Hähne ein heiseres Kikerikii Duell.

Von Pisco aus starten wir dann leicht übermüdet einen tollen Ausflug zu den Islas Ballestas, auch genannt Galapagos für Arme. Und wenn schon, arm ist die Artenvielfalt sicherlich nicht. Erst passieren wir mit unserem Boot ein vor ca 1500 Jahren in die Wüste geritztes Symbol mit der Form eines Kandelabers, ähnlich den berühmten Nazca Linien, welche sich ein paar hundert Kilometer südlich befinden. Wenn wir schon einmal dabei sind, nennen wir es eben Nazca für Arme. Bei der Umrundung der Islas häufen sich die Begeisterungsausrufe über diese Guanofabrik.
Eine Vielzahl verschiedenster Vogelarten belagert die kleinen Inselchen. Möwen kreisen umher, lustige Pelikane schlucken mit ihren bunten Schnäbeln Fische, Pinguine watscheln herum und Seelöwenkolonien faulenzen auf den Felsen und an den Stränden oder schwimmen um unser Boot. Wir sind wirklich begeistert!

Danach machen wir noch einen Ausflug zu einem Nationalpark, der sicher nicht für die blühende Natur, sondern für das vielfältige Leben im Wasser geschützt und bekannt ist - Hier treffen der kalte Humboldt Strom und wärmeres Pazifikwasser aus dem Norden zusammen, welches der Gegend eine gigantische Artenvielfalt beschert.

Mit einem kurzen Zwischenstop in Lima möchten wir dann weiter in den Norden reisen. Als wir in Lima mit all unserem Gepäck zum Busterminal watscheln, läuft Philipp eben noch brav nebenJana her, als er plötzlich wie von der Tarantel gestochen fluchend losrennt. Und trotz seines rucksackbedingten Maikäferaussehns kriegt er den Dieb seiner nicht wirklich teuren Tschibouhr zu fassen. Der unglückliche Dieb läuft dann auch noch einem Polizisten direkt in die Arme, aber unser Mitleid hält sich in Grenzen als der Polizist unseren "Freund" mit seinem Schlagstock recht unsanft an seine Tat erinnert.