Vor vier Jahren haben wir uns beim gemeinsamen Reisen in Mittelamerika kennen gelernt. Seitdem können wir unsere Erlebnisse dort, die herzlichen Menschen, die unglaublich reiche Natur, die Musik und das Gefühl zu reisen einfach nicht vergessen. Und das wollen wir auch gar nicht. Nur eins steht fest: Wir müssen noch einmal nach Lateinamerika, denn einmal angefangen, ist das Reisen fast so etwas wie ein inneres Gesetz, man könnte es auch Fernweh nennen. Das ist einfach da, mal mehr, mal weniger und es hört erst wieder auf, wenn wir wieder da stehen, am Flughafen wie Schildkröten mit unseren Rücksäcken auf dem Rücken und dem Flugticket in der Hand, unsere Eintrittskarte in das Unbekannte. Dann sind wir nicht mehr Ingenieur oder Student. Dann sind wir Reisende, alles andere verschwimmt allmählich. Die Hektik und der Alltag liegen hinter uns und es ist, als würden wir ein Teil der Welt neu entdecken. Diesmal haben wir uns für Kolumbien und Peru entschieden. Semper, der selbst längere Zeit in Kolumbien gereist ist, beschreibt das Gefühl zu reisen so: „Ich konnte die fest geschriebenen und fest zementierten Denkgewohnheiten meiner Welt hinter mir lassen. Das tägliche Grauen aus hetzenden Menschen, Supermärkten, Verkehrsstaus, Parkplatzsuche, Handyklingeln und Fernsehbildern lag unendlich weit hinter mir. Amazonien war das Land, dem ich mich auslieferte. Alles war direkt, ohne Filter. Alles entstand neu." Drei Monate konnten wir uns diesmal frei nehmen. Diese Zeit liegt jetzt noch unbekannt vor uns und wir sind gespannt, mit welchen Erlebnissen sie sich diesmal füllen wird...

Samstag, Oktober 21, 2006

La Boquilla

Am Wochende möchten wir endlich mal die Karibik geniessen und träumen von einem schönen weissen Sandstrand. Und schon sitzen wir in einem ratternden Bus. Aus dem Radio tönt Salsamusik und der Busfahrer klopft im Takt auf das Lenkrad. Mit der anderen Hand drückt er fast ständig auf die Autohupe, was eigentlich niemanden interessiert, da das anscheinend ein Hobby der Leute hier ist. Nachdem unsere rollende Salsadisko neues Kühlwasser getankt hat, dampfen wir ab in Richtung Traumstrand. Allerdings bekommen “los touristas” grosse Augen, als der Bus ganz ungeniert mit vollem Tempo direkt durch die grossen Pfützen auf dem “Traumstand” schaukelt. Das sah in den Zeitschriften irgendwie anders aus. Aber als wir mit hängenden Köpfen den “Traumstrand” entlang wandern, kommt uns schon unser neuer “amigo” entgegen, der uns mit seinem Boot an einen ganz schönen Strand bringen möchte. Da wir uns auf dieser halben Autopiste namens Strand sowieso nicht wohl fühlen, stimmen wir als zu. Wir paddeln durch Mangrovensümpfe, in denen es wegen der vielen Krabben knistert und raschelt. Nach einiger Zeit kommen wir dann in einem sehr kleinen Dorf an. Und plötzlich befinden wir uns in dieser anderen Welt, die es im reichen Cartagena nicht gibt. Mit direktem Blick auf die Hochhäuser und Hotels der Stadt, leben die Menschen hier in sichtbarer Armut. Ein Blick in die Holzhütten bestätigt, was man eigentlich schon weiss: für die Menschen hier ist vom Reichtum der Stadt nichts mehr übrig. Die vielen farbigen Kinder laufen um uns herum, betteln und kichern – die sehen aber auch komisch aus! Als einzige Gäste werden wir an einen Tisch geschoben wo wir natürlich Fisch, leckeren Kokosreis und Platanos essen, während die abgemagerten Hunde schon auf ihren Teil der Mahlzeit warten. Doch auch wenn unser Besuch für die Leute hier sehr wichtig ist, dieser Strand hier zeigt weniger die Schönheit der Natur als die Realität eines Landes, in dem der Besitz völlig ungleich verteilt ist.

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